Dance & History online 2022
Von lustigen Täntz und
wahrer Tantzkunst
Dance in Germany
1500 - 1900
29 - 30 January 2022
An online conference on Zoom,
conference language: German
With our online dance days, we want to once again shine a spotlight on the development of dance in the German-speaking world over four centuries.
From early dance illustrations and the festivities and balls of the Habsburgs in the early 17th century, we span the arc to reflections on the art and pleasure of dance in Baroque dance treatises and a staging of Telemann's famous wedding divertissement. On the second day, an internationally renowned specialist for early ballet will give us an insight into today's choreographic realization possibilities of ballet productions of the Viennese classical period and we will go on the traces of the dance master "August von Rosenhain" at the beginning of the 19th century. We learn about the complex genesis of an encyclopedia article on dance from 1842 and finally plunge into the ballroom dancing of the late 19th century with Felix Mendelssohn Bartholdy.
In addition to lectures, video excerpts of dance performances will be included, as well as a panel discussion with the day's speakers.
The contributions will be recorded and will be available on YouTube for registered participants for another month.
- über Internetplattform Zoom
- Teilnahme kostenlos,
Spenden sehr willkommen
- Registrierung erforderlich
begrenzte Teilnehmerzahl
Samstag, 29. Januar 2022 |
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16:00 | Begrüßung | ||
16:10 | Tanzlied, Singtanz, "Singballett": Eine repertoire- und forschungsgeschichtliche Erkundung (Hanna Walsdorf) |
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17:00 | Tu felix Austria nube – Tanzfeste der Habsburger im Vergleich (Gudrun Rottensteiner) |
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17:40 | Pause | ||
18:00 | Tanzlust oder Tanzkunst ? Zu den kontroversen Diskursen des frühen 18. Jahrhunderts (Marie-Thérèse Mourey) |
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18:50 | Das Hochzeit-Divertissement von G. Ph. Telemann Rekonstruktion -- Choreografie -- Bühnenfassung (Ingo Günther) |
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19:40 | Zusammenfassung des Tages | ||
20:00 | Ende |
Sonntag, 30. Januar 2022 |
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16:00 | Begrüßung | ||
16:10 | Die Wiener Ballette von Starzer, Gluck und Beethoven zum Leben bringen - Quellen und Methoden (Helena Kazárová) |
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17:00 | ... daß er seine Lehrstunden lieber mit allotriis ausfülle ... Tanzlehrbuch und Leben von August von Rosenhain (Birte Hoffmann-Cabenda) |
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17:40 | Pause | ||
18:00 | Wie die Schalen einer Zwiebel – indirekte Quellen, bearbeitete Zitate und datierbare Bearbeitungsschichten eines Enzyklopädieartikels zum Tanz, 1842 (Giles Bennett) |
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18:50 | Tanz und Bälle im Leben und Werk von Felix Mendelssohn Bartholdy (Gabriele Busch-Salmen) |
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19:40 | Zusammenfassung des Tages | ||
20:00 | Ende |
Sa, 16:00 - 16:10 Uhr
Begrüßung und Technisches
Begrüßung der Teilnehmer, anschließend erfolgt eine kurze Einführung in das Thema des Tages.
Moderation: Birte Hoffmann-Cabenda, Carola Finkel, Markus Lehner
Technische Leitung: Roy Cabenda
Sa, 16:10 - 16:50 Uhr
Tanzlied, Singtanz, «Singballett»: Eine repertoire- und forschungsgeschichtliche Erkundung
Den zahllosen (deutschsprachigen) Tanzliedern und Singtänzen der Frühen Neuzeit ist in der jüngeren Tanz- und Musikgeschichtsforschung kaum Interesse zuteilgeworden. Angesichts der schieren Größe des Repertoires und auch in Anbetracht der Aufmerksamkeit, die ihm in früheren Jahrhunderten gewidmet wurde, ist dies eine erstaunliche Lücke. Denn bereits im 17. Jahrhundert wurde «die tantz-kunst» von mehreren Poetikern einhellig als «der Dichterei schwester so wohl als die Singe-kunst» (Ph. von Zesen 1640) identifiziert, wurde dem Tanz gar plausibel die Entstehung des daktylischen Versmaßes zugeschrieben. Auch im Musikschrifttum des 18. Jahrhunderts – etwa bei Mattheson – standen Tanzlieder wie selbstverständlich neben anderen Lied- und instrumentalen Tanzmusikformen; im 19. Jahrhundert waren es dann großangelegte Liedsammlungen wie der Deutsche Liederhort (1856, 1893–94), die den historischen Überlieferungsbestand an Tanzliedern und Reigengesängen in Umrissen sichtbar machten. Schon hier manifestierte sich jedoch die Trennung von Volkslied- und «Kunstlied»-Forschung, die sich bis heute auf die systematische Erfassung und Bewertung der Tanzlieder und Singtanzpraktiken verschiedener sozialer Umgebungen auswirkt.
In diesem Beitrag soll nun der Versuch unternommen werden, einerseits die Formen und Moden des deutschsprachigen Tanzliedrepertoires des 16. bis 18. Jahrhunderts möglichst umfassend zu konturieren, und andererseits die Forschungsperspektiven nachzuzeichnen, die mit Blick auf den Quellenkorpus seit dem 17. Jahrhundert eingenommen wurden. Eher als Randnotiz sollen schließlich auch der 1650 erstmals nachgewiesene Terminus «Singballet» und die aus ihm erwachsenen gattungsgeschichtlichen Missverständnisse zur Praxis des Singtanzes ins Verhältnis gesetzt werden.
Hanna Walsdorf, Basel, Schweiz
Hanna Walsdorf wurde 2009 an der Abt. Musik- und Tanzwissenschaft der Universität Salzburg promoviert und war im Anschluss daran als wissenschaftliche Mitarbeiterin im musikwissenschaftlichen Teilprojekt des SFB 619 "Ritualdynamik" an der Universität Heidelberg tätig (2009-2013). 2011 wurden ihre Forschungsarbeiten mit dem Tanzwissenschaftspreis NRW ausgezeichnet. Von 2014 bis 2020 leitete sie die Emmy Noether-Forschungsgruppe "Ritualdesign für die Ballettbühne" an der Universität Leipzig. Im Studienjahr 2020/21 lehrte sie Musik- und Tanzgeschichte an der Hochschule für Musik und Theater "Felix Mendelssohn Bartholdy" Leipzig und an der Universität Salzburg. Seit August 2021 ist sie als designierte Assistenzprofessorin für Musikwissenschaft (Schwerpunkt Ältere Musikgeschichte) an der Universität Basel tätig.
Sa, 17:00 - 17:40 Uhr
Tu felix Austria nube – Tanzfeste der Habsburger im Vergleich
Kaiser Ferdinand II und seine Schwestern – am innerösterreichischen Hof in Graz aufgewachsen und tänzerisch ausgebildet – wurden mit prominenten europäischen Königen und Fürsten vermählt. Aufgrund der sehr unterschiedlichen und reichhaltigen Quellen (Protokollbücher, Hofakten, Briefe, Relationen, Gesandtenberichte, Tagebücher, Zeitungen, Libretti), die sich zu diesen Festen erhalten haben, lässt ein Vergleich der Hochzeitsfestlichkeiten ein faszinierendes und detailreiches Bild entstehen: so lassen sich etwa schon um 1600 Hofballetti an den Habsburger Höfen nachweisen. Sowohl ein der höfischen Community vertrauter internationaler Tanzstil als auch nationale Tanzformen zeichnen diese Ballfeste aus und werden in den Dienst der fürstlichen Machtdemonstration gestellt. Die Vernetzung der Tanzmeister zeigt sich im Rahmen der Vorbereitung zu den balli und balletti, die im Vorfeld zwischen den Höfen diskutiert und dann mit Braut und Bräutigam und ihrer jeweiligen Entourage einstudiert werden musste. Darüber hinaus enthalten die Quellen ergänzende Informationen zum Ablauf, zu den Tänzen und Tänzern, der Musik, den Libretti, den Kostümen und den Bühnenbildern. Sie stellen Parallelen zum Ballet de Cour und der Masque her und manifestieren die Tanzfeste der Habsburger als Teil einer gemeinschaftlichen europäischen Tanzkultur.
Gudrun Rottensteiner, Graz, Österreich
Blockflötenstudium (Konzertdiplom) sowie Ergänzungsstudium im Fach Aufführungspraxis an der Hochschule für Musik und darstellende Kunst in Graz. Studium der Musikwissenschaften und Kunstgeschichte an der Karl-Franzens-Universität Graz. Dissertation „Tanz am Grazer Hof 1564-1619. Untersuchung zum höfischen Tanz anhand von Quellenmaterialien.“ Ausgedehnte Konzerttätigkeit als Mitglied des Paul Hofhaimer Consort Salzburg. Die Interpretation von Tanzmusik in diesem Ensemble führte zu einer intensiven praktischen und wissenschaftlichen Auseinandersetzung mit dem Historischen Tanz. Tanzkurse u.a. bei Andrea Francalanci, Véronique Daniels, Philippa Waite, Lieven Baert und Jutta Voß.
Von 1978-2020 Mitarbeiterin am Institut für Alte Musik und Aufführungspraxis an der Kunstuniversität Graz mit dem Forschungsschwerpunkt Historischer Tanz. Lehrtätigkeit im Fach Historischer Tanz an der Kunstuniversität und am Johann-Joseph-Fux-Konservatorium Graz.
Sa, 17:40 - 18:00 Uhr
Pause
Sa, 18:00 - 18:40 Uhr
Tanzlust oder Tanzkunst?
Zu den kontroversen Diskursen des frühen 18. Jahrhunderts
Nach dem Dreißigjährigen Krieg suchten der Kleinadel sowie das städtische Bürgertum nach ihrem jeweiligen Stand angemessenen kulturellen Formen, insbesondere nach einem spezifischen Habitus corporis, das sich von dem des Volks bzw. des "gemeinen Pöbels" abheben sollte. Die französische, aristokratische Tanzpraxis wurde dabei als Vorbild von professionellen Tanzmeistern in die europäischen Höfe exportiert. Mercurius etwa (Schauplatz der Dantzenden, 1671) begeisterte sich für die Tanzsitten der Franzosen und empfahl sie zur Imitation. An der Wende vom 17. zum 18. Jahrhundert wurde das Tanzen als "Schule galanten Gebarens" rezipiert. Parallel dazu versuchten deutschsprachige Tanzdiskurse, das "gemeine Tanzen" zugunsten einer raffinierten "Tanzkunst" zu verdrängen und letztere nach Postulaten, Prinzipien und Regeln zu etablieren.
Mein Beitrag möchte am Beispiel des Franzosen Louis Bonin (Die Neueste Art zur Galanten und Theatralischen Tantz=Kunst, 1712) den Zusammenprall zweier Vorstellungen vom Tanzen exemplifizieren : als "garstige", ungezügelte Unterhaltung der Bauern und gemeinen Leute, oder aber als eine für Standespersonen erdachte, "wohlgeregelte" Praxis, die nur eine sublimierte Lustform zulässt: Zeichen für die Zivilisierung der Sitten.
Marie-Thérèse Mourey, Paris, Frankreich
Marie-Thérèse Mourey ist emeritierte Professorin für German studies an der Pariser Sorbonne Université. Sie war Vorsitzende des "Arbeitskreises für Barockforschung", Herzog August Bibliothek Wolfenbüttel (2014-2018) und dort Leiterin des Barockkongresses 2016: "Der Körper in der frühen Neuzeit: Techniken, Praktiken, Performanz". Ihre Forschungen betreffen die Literatur- und Kulturgeschichte der deutschen Länder im europäischen Zusammenhang, mit einem Schwerpunkt auf Tanz, Ballett, Schauspiele, Musik und Lied, Poesie und Poetik, Ästhetik, Kulturtransfer, Religion.
Hauptpublikationen: Les corps en spectacle. Danser dans le Saint Empire (XVIe -XVIIIe siècle). Berlin, Frank & Timme 2020 (« Cadences », Bd. 4). Hrsg. D’un lied à l’autre ? Dynamiques génériques et interculturelles du lied, Revue Musicorum, N° 21, 2020. Hrsg. Mit Hanna Walsdorf & Tilden Russell: Tauberts « Rechtschaffener Tantzmeister (1717): Kontexte- Lektüren- Praktiken, Frank & Timme, Berlin (« Cadences », Bd. 2), 2019. Hrsg. Danseur, chorégraphe, théoricien de la danse et du ballet: Jean-Georges Noverre (1727-1810), un artiste européen au siècle des Lumières, Revue Musicorum, N° 10, 2011. Hrsg. mit Pierre Béhar & Herbert Schneider: Maria Theresias Kulturwelt, Hildesheim, Olms, 2011. Hrsg. mit Stephanie Schroedter & Giles Bennett: Barocktanz. Quellen zur Tanzkultur um 1700/ La danse baroque. La pratique de la danse à la lumière des sources vers 1700/ Baroque Dance. Sources on Dance culture around 1700. Hildesheim, Olms, 2008.
Sa, 18:50 - 19:30 Uhr
Das Hochzeit-Divertissement von G. Ph. Telemann,
Quelle -- Rekonstruktion -- Choreografie -- Bühnenfassung
Vortrag mit Videoeinspielungen
G. Ph. Telemann (1681-1767) schrieb in seiner Frankfurter Zeit (1712-1721) etwa 20 weltliche Kantaten, u.a. für Hochzeiten, als er in Frankfurt als Kapellmeister tätig war. Der Name der Komposition „Musicalisch-chorégraphisches Hochzeit = DIVERTISSEMENT“ weist auf seine besondere Bestimmung hin: Es handelt sich um die anspruchsvolle Unterhaltung einer Hochzeitsgesellschaft mit Musik und Tanz. Es folgt ein kleiner Diskurs über den Begriff 'Divertissement' und eine Einordnung des Telemann'schen Werkes. Der Umfang und die Qualität der vorliegenden Komposition wie auch die Tatsache, dass sie wahrscheinlich 1718 bei Benjamin Kenckel für den Druck gestochen und gedruckt wurde, lassen uns annehmen, dass sie für eine wohlhabende Frankfurter Familie verfasst wurde. Leider ist der Druck insofern unvollständig, als (bei vollständigem Text) nur die Musik zu den Tänzen erhalten ist, aber zu anderen Teilen (Ouverture, Eingangs- und Schlussgesang, Rezitative) vermutlich verloren gegangen ist. Bei der erhaltenen Musik handelt es sich um eine Folge von 7 Suitentänzen, die getanzt UND gesungen wurden. Eine solche Praxis ist aus Opern-Divertissements dieser Zeit bekannt. Philippa Waite, Cardiff, hat die gesamte Tanzfolge neu choreografiert. Aus dieser Sammlung und aus weiteren französischen Originalquellen haben wir zwei Bühnenfassungen entwickelt: eine Fassung mit Sprecher und ohne Sänger (Tänze nur instrumental) und eine weitere mit Sänger und Sprecher. Für die letztere wurden die Rezitative (im barocken Stil) von Barbara Zech-Günther nachkomponiert. Das Textbuch stammt von Telemann selbst, der einmal mehr seine herausragende Begabung in der Beherrschung der deutschen Sprache unter Beweis stellt.
Ingo S. Günther, Berlin, Deutschland
Ingo S. Günther studierte Schulmusik (Hf. Viola, Nf. Rhythmik), Anglistik und Komposition/Tonsatz (Nf. Gitarre) an der Staatlichen Hochschule für Musik und Darstellende Kunst Berlin. Von 1968-1990 Mitglied und später Assistent in dem von Prof. Karl-Heinz Taubert gegründeten "Ensemble Historischer Tanz Berlin". Von 1978 bis 1996 Lehrbeauftragter für Rhythmik, Gehörbildung, Schulpraktischen Tanz (Folklore) und Historischen Tanz an der Hochschule der Künste Berlin. Neben der Tätigkeit im höheren Schuldienst (Studienrat von 1976-2011) Forschungs- und Lehrtätigkeit im In- und Ausland auf dem Gebiet des Historischen Tanzes (16.-19. Jahrhdt.). Vorträge, Workshops, und Lecture Demonstrations an verschiedenen Universitäten (Athen, Berlin, Rostock u.a.) und in der Lehrerfortbildung Berlin. Künstlerischer Leiter des Studio für Historischen Tanz (1988-2000) und des BarockTanzEnsembles "contretem(p)s berlin" (seit 1993). Mit beiden Ensembles zahlreiche Aufführungen, vorwiegend bei Festivals Alter Musik, in Deutschland, den Niederlanden, Polen und Griechenland. Künstlerischer Leiter des Instituts für Historischen Tanz Ingo Günther, gegr. 1994. Mitglied und Ausbildungsleiter im Conseil International de Danse (CID/Unesco). Kontakt: inst-hist-tanz(at)gmx.de
Sa, 19:40 - 20:00 Uhr
Zusammenfassung des Tages
Die Referenten des Tages treffen sich mit der Moderation zu einem abschließenden Gespräch über das Tagungsthema. Dabei gibt es nochmal die Gelegenheit für die Teilnehmer Fragen zu stellen und mit den Referenten ins Gespräch zu kommen.
Moderation: Birte Hoffmann-Cabenda, Carola Finkel, Markus Lehner
So, 16:00 - 16:10 Uhr
Begrüßung und Technisches
Begrüßung der Teilnehmer, anschließend erfolgt eine kurze Einführung in das Thema des Tages.
Moderation: Birte Hoffmann-Cabenda, Carola Finkel, Markus Lehner
Technische Leitung: Roy Cabenda
So, 16:10 - 16:50 Uhr
Die Wiener Ballette von Starzer, Gluck und Beethoven zum Leben bringen - Quellen und Methoden
Seit den 40er Jahren des 18. Jahrhunderts wurde Wien neben Paris und London die wichtigste Metropole der Entwicklung einer neuen Art von Bühnentanz, der Ballet-Pantomime. Dieser Trend wurde von ausgezeichneten Künstlern unterstützt, ausländischen (meist italienischen) aber auch einheimischen aus dem deutschsprachigen Raum. Diese einmalige Mischung von herausragenden Persönlichkeiten führte zu einem bedeutenden Aufstieg des Bühnentanzes. Auch das Wiener Publikum war sehr wichtig, weil dessen Geschmack diesen Aufstieg mitgeprägt hat. Man spielte nicht nur für die Aristokraten sondern auch für das Volk. Ich hatte die Möglichkeit mich mit einigen sehr interessanten Beispielen des Wiener Repertoires zu beschäftigen und ich habe für meinen Beitrag La guirlande enchantée von Joseph Starzer (1757), Don Juan von Ch.W.Gluck (1761) und Die Geschöpfe des Prometheus von Ludwig van Beethoven (1801) gewählt.
Helena Kazárová, Prag, Tschechien
Helena Kazárová, Ph.D., hält Vorlesungen über Tanz- und Ballettgeschichte, Tanzästhetik und lehrt als Professorin an der Akademie der darstellenden Künste in Prag Historischen Tanz. Sie absolvierte die Akademie der Darstellenden Künste in Prag (Tanztheorie und -geschichte), tanzte einige Jahre lang als professionelle Tänzerin und begann dann, Tanzgeschichte, -theorie und -ästhetik zu unterrichten. Seit 1982 hat sie über 100 Artikel, Rezensionen und Studien veröffentlicht und ist Autorin von zwei Büchern.
Sie studierte und arbeitete mit internationalen Spezialisten auf diesem Gebiet (B. Massin, M.-G. Massé, D. Wortelboer, E. Greene usw.) und insbesondere mit Marc Leclercq, bei dem sie als Assistentin für Choreographie an bedeutenden Opernprojekten (Castor et Pollux von Rameau und Sub olea pacis et palma virtutis von Jan Dismas Zelenka) mitwirkte. Seitdem hat sie zahlreiche Tänze aus dem Barock, der Renaissance und der Vorromantik für verschiedene bedeutende Musik- und Theaterfestivals (Japan, Litauen, Polen, Österreich, Deutschland, Ungarn) und auch für Ballettkompanien (Entrée d ́Apollon von Feuillet und Pécour für das Ballett des Nationaltheaters in Prag und Brünn) geschaffen und rekonstruiert. Seit 1997 ist sie die künstlerische Leiterin des Hartig-Ensembles - Tänze und Ballette aus 3 Jahrhunderten.
Sie gründete auch die Association of Historical Dance in der Tschechischen Republik und hielt Vorträge auf vielen internationalen Konferenzen (zuletzt 2014 an der Universität Stockholm, 2013-15 an der Universität Oxford, 2016 in Rothenfels, Deutschland, 2017 in Dresden, Deutschland usw.). Seit vielen Jahren arbeitet sie auch mit Sängern und Schauspielern an den zeitgenössischen Schauspieltechniken und hat mehrere Opern inszeniert. Sie hat auch in Film und Fernsehen als Coach und Beraterin für historische Bewegungsstile gearbeitet.
So, 17:00 - 17:40 Uhr
... daß er seine Lehrstunden lieber mit allotriis ausfülle ...
Tanzlehrbuch und Leben von August von Rosenhain
1821 erschien in Schleswig das Buch Bemerkungen über das Tanzen; nebst einer gründlichen Anleitung zu den jetzt beliebtesten Tänzen. Der Autor nannte sich August von Rosenhain und bezeichnete sich als „Balletmeister und Ritter etc.“. Dieser Vortrag begibt sich einerseits auf die Spuren dieses Mannes, der in Wirklichkeit August Freiherr von Wobeser-Gohren hieß und von 1790 bis 1857 lebte, und skizziert das mühsame Leben eines Tanzlehrers in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts. Andererseits wird sein Buch mit anderen Quellen derselben Zeit verglichen und das von ihm beschriebene Tanzrepertoire vorgestellt.
Birte Hoffmann-Cabenda, Wedel, Deutschland
Birte Hoffmann-Cabenda studierte Mathematik, Betriebswirtschaftslehre und Informatik an der Universität Hamburg. 1975 kam sie erstmalig mit historischem Tanz in Berührung und besuchte seither zahllose Kurse und Konferenzen in dem Bereich. 1980 erhielt sie ein „teaching certificate“ der DHDS und begann 1981, selbst zu unterrichten. Daneben erforscht sie das Leben und Werk verschiedener Tanzlehrer aus Norddeutschland im 19. Jahrhundert. Inzwischen blickt sie auf eine langjährige Rekonstruktions-, Vortrags- und Lehrtätigkeit im Bereich Historischer Tanz zurück.
So, 17:40 - 18:00 Uhr
Pause
So, 18:00 - 18:40 Uhr
Wie die Schalen einer Zwiebel – indirekte Quellen, bearbeitete Zitate und datierbare Bearbeitungsschichten eines Enzyklopädieartikels zum Tanz, 1842
Im Rahmen der Vorbereitungen für Dance & History Online 2021 wurde ich auf den Artikel „Tanz und Tanzkunst“ und verwandte bzw. durch Verweise verbundene Artikel in der „Oekonomisch-technologische Encyklopädie / der Kruenitz“ (http://www.kruenitz1.uni-trier.de/) aufmerksam gemacht, der 1842 erschien. Bei der Lektüre stellte sich heraus, dass der Hauptartikel recht breit und stellenweise tief unterschiedlichste Facetten des Tanzes behandelt (fast 53000 Wörter). Der Text ging dabei sehr wahrscheinlich durch die Hände der unterschiedlichen Bearbeiter der Encyklopädie zwischen ihrer Gründung 1773 bis zu dem Erscheinen des Hauptartikels 1842 und enthält viele Zitate, darunter auch aus erheblich ältere Quellen, korrekt oder (durch Zitat im Zitat, teilweise verbunden mit entstellten bibliographischen Angaben) stark verändert zitiert. Auch unterschiedliche Zeitebenen lassen sich in den verschiedenen Teilen ausmachen, die die Geschichte des Tanzes, die Tänze der jeweiligen Gegenwart, Tanzethnologie und auch gesundheitlich-moralische Fragen umfassen – so werden z.B. komplette verbale Tanzbeschreibungen von 1821 zitiert, unter Auslassung der ursprünglichen Notation und Musik. Dabei steht der Text für die Kontinuitäten in den (tanzhistorisch in mancher Hinsicht stark bewegten) Jahrzehnten seiner Entstehung wahrscheinlich zwischen den 1790ern und den 1840ern und gleichzeitig für die tiefen Wurzeln dieser Epoche in der vorhergehenden Tanzgeschichte insbesondere des 18. Jahrhunderts. Auch lässt sich hier eine „Tanzbibliothek“ der Encyklopädie-Autoren und die dahinterliegende „Schattenbibliothek“ der dahinterstehenden, aber den Autoren nicht direkt vorliegenden Werke erstellen.
Der Vortrag soll den Text kurz in seiner Gliederung vorstellen, wichtige Inhalte und unerwartete Quellenzitate beispielhaft benennen, erste Hypothesen zur Datierung der Genese der Abschnitte des veröffentlichten Textes aufzeigen (also quasi die Zwiebelschalen darlegen) und schließlich den Blick auf ähnliche lexikalische Quellen und ihre Zugangs- wie Verwendungsmöglichkeiten (in analoger wie in in digitaler Form) richten.
Giles Bennett, München, Deutschland
Giles Bennett, Historiker, wissenschaftlicher Mitarbeiter am Zentrum für Holocaust-Studien am Institut für Zeitgeschichte München, Tänzer im Ensemble La Danza München (Leitung: Jadwiga Nowaczek), Mitherausgeber des Bandes „Barocktanz im Zeichen französisch-deutschen Kulturtransfers. Quellen zur Tanzkultur um 1700“, Hildesheim 2008, diverse Aufsätze zum Tanz im 17. und 18. Jahrhundert.
So, 18:50 - 19:30 Uhr
Tanz und Bälle im Leben und Werk von Felix Mendelssohn Bartholdy
Dass Mendelssohn ein begeisterter Tänzer und perfekter Gentlemen war, ist hinlänglich geläufig. Dass seine Tanz- und Ballteilnahmen für ihn von frühester Jugend an jedoch nicht nur willkommene Vergnügungen, Gradmesser für Lebensfreude und Vitalität waren, sondern Indikatoren für soziale Einbindung und sein ausgeprägtes Bedürfnis nach geselliger und erotischer Nähe zum anderen Geschlecht, wird in dem Vortrag herausgearbeitet und interpretiert. Hintergrund seiner Tanzbegeisterung waren die großbürgerlichen Verhältnisse, in die er hineingewachsen war. Die Kontakte zur „besseren Gesellschaft“, die seine an das christliche Bürgertum assimilierten Eltern pflegten, hatten ihn ebenso geprägt wie auch die familiären Wohnverhältnisse insbesondere nach der Übersiedlung der Familie in das Berliner Haus Leipziger Straße 3. Es zog viele illustre Gäste an, die den legendären Gartensaal, das Prunkstück des Hauses als exquisiten Ort erlebten, in dem zu Sonntagsmusiken, Singspielaufführungen, Bällen und Familienfeiern geladen wurde. Derart vorbereitet auf das Auftreten als eleganter, tanzgeübter Habitué wurden Tanz- und Balletablissements für Mendelssohn besonders auf seinen ausgedehnten Bildungsreisen zu den auffallend oft besuchten Foren, die ihn „die Geselligkeit und die Art des Umgangs“ erfahren ließen. Beredte Zeugnisse für seine Vertrautheit mit Tanz, Tänzern und den komplexen Ballreglements, sind die Schilderungen seiner Freunde, die ihn als „bildhübschen Tänzer“ erlebten (Karoline Bauer), vor allem aber seine Briefe. Seinen Eltern oder seiner Schwester Fanny berichtete er ausführlich über die Abendgesellschaften und Bälle der „höchsten Zirkel“, zu denen er Zugang hatte, etwa wenn er am 15. Mai 1829 aus London schreibt:
„Montag Abend Ball in Devonshire House beim Herzog von Devonshire; die Pracht aus den morgenländischen Märchen kommt zur Erscheinung, was Reichthum, Luxus, Geschmack an Schönheiten für ein Fest erfinden können, ist da gehäuft. Mit meinem hack kam ich an die Reihe der Equipagen, die fast die ganze Piccadilly herunterstanden, daher zog ich's vor, zu Fuss einzuziehen; kam in den Saal, wo der Herzog die Gäste freundlich empfing […]“ (Abbildung).
Zu den wichtigsten Grundlagen der Studie gehört daher die 2017 abgeschlossene zwölfbändige Ausgabe seiner „Sämtlichen Briefe“.
Beleuchtet werden auch Mendelssohns Tanzkompositionen, z.B. der furiose "Saltarello" seiner Italienischen Sinfonie als Reflex auf seine Italienerlebnisse.
Gabriele Busch-Salmen, Freiburg/Kirchzarten, Deutschland
Musikwissenschaftlerin, Musikerin, Autorin. Künstlerisches Examen 1974, Promotion 1980, bis 1992 Professorin für Quer- und Traversflöte an der Hochschule (jetzt Universität) 'Mozarteum' in Salzburg / Innsbruck. Lehraufträge an den Universitäten Innsbruck und Freiburg. Von 1999 bis 2001 Vertretungsprofessur für Musikwissenschaft an der Universität Bremen. Seither freie Autorin und Herausgeberin. Veröffentlichungen zur Sozialgeschichte, Biographik, Tanzforschung, Musikikonographie, Aufführungspraxis sowie zum Themenkomplex Musik und Literatur.
Zu ihren Buchpublikationen gehören: "Der Weimarer Musenhof. Literatur, Musik und Tanz, Gartenkunst, Geselligkeit, Malerei", Stuttgart 1998 (mit Walter Salmen und Christoph Michel); "Handbuch Querflöte". Kassel 1999; "J. F. Reichardt – J. W. Goethe. Briefwechsel", Stuttgart/Weimar 2002; Philipp Christoph Kayser (1755–1823), Komponist, Schriftsteller, Pädagoge, Jugendfreund Goethes, Hildesheim 2007; "Goethe Handbuch, Supplemente 1, Musik und Tanz in den Bühnenwerken" (Mitarbeit: Benedikt Jeßing), Stuttgart 2008. Mit Monika Fink und Thomas Nußbaumer (Hgg.): "Der Tanz in der Dichtung – Dichter tanzen", Hildesheim 2015, darin: "exaltierte Stimmung, rauschende Gesellschaft" – E.T.A. Hoffmann und der Tanz, S. 99–114 (= Terpsichore, Tanzhistorische Studien, hg. von Gabriele Busch-Salmen, Bd. 8).
So, 19:40 - 20:00 Uhr
Zusammenfassung des Tages
Die Referenten des Tages treffen sich mit der Moderation zu einem abschließenden Gespräch über das Tagungsthema. Dabei gibt es nochmal die Gelegenheit für die Teilnehmer Fragen zu stellen und mit den Referenten ins Gespräch zu kommen.
Moderation: Birte Hoffmann-Cabenda, Carola Finkel, Markus Lehner
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